MONITOR Nr. 521 am 22. Juli 2004:
Opel-Arbeitsplätze nach Polen: Folgen eines Rüstungsdeals
Bericht: Kai Rüsberg, Markus Zeidler
Sonia Mikich: "Die Methode macht Schule: Arbeitgeber drohen mit Abwanderung, Arbeitnehmer sollen auf Weihnachtsgeld oder Zuschläge verzichten und länger arbeiten, um ihren Arbeitsplatz zu sichern.
Bei Daimler-Chrysler wird noch über Zugeständnisse gestritten, bei Siemens ist die Entscheidung bereits gefallen.
Und bei Opel? Bei Opel wurde nicht lange diskutiert. Längst hat der amerikanische Mutterkonzern General Motors Europa beschlossen: Ein Teil der Produktion wandert von Deutschland nach Polen.
Um Kosten zu sparen? Nein, die Verlagerung deutscher Arbeitsplätze ist ein Dankeschön für einen ganz anderen Deal, ganz woanders.
Kai Rüsberg und Markus Zeidler berichten über internationale Koppelgeschäfte, die sonst im Verborgenen ablaufen."
Schlechte Aussichten für Opel in Deutschland. Mindestens 1200 Jobs sind in Gefahr. Die Konzernmutter General Motors verlagert Teile der Produktion nach Polen.
Nein, hier geht es nicht um mangelnde Wettbewerbsfähigkeit deutscher Standorte, hier gibt es einen anderen Grund.
Und der ist deutlich größer als ein Opel, hat mehr PS und heißt F16. Ein Kampfjet als Jobkiller. Ein überraschender Zusammenhang.
Doch bei der Produktionsverlagerung von Opel nach Osten spielt ein Rüstungsdeal eine zentrale Rolle. In der Opelstadt Rüsselsheim wollte das anfangs niemand wahrhaben.
Heiner Friedrich, B´90/Grüne, Stadtverordnetenversammlung Rüsselsheim: "Wir waren wirklich geschockt, dass es nicht um wirtschaftliche Fragen ging, sondern um politische und sogar militärische Fragen, eben Teil eines militärischen Deals zwischen den USA und Polen ist. Wirtschaftlich hätten wir uns für Rüsselsheim durchaus Chancen ausgerechnet mit Leanfield, nämlich dem modernsten Automobilwerk, was es europaweit hier in Rüsselsheim gibt. Politisch oder militärisch sogar, wenn diese Aspekte im Fordergrund stehen, sind wir natürlich machtlos."
Deutsche Arbeitsplätze in Gefahr wegen einer amerikanisch-polnischen Rüstungsdeals?
Wer das verstehen will, muss zunächst nach Amerika blicken, zurück ins Jahr 1997.
Beim Rüstungskonzern Lockheed Martin wittert man damals ein ganz großes Geschäft. Osteuropäische Länder wie Ungarn und Polen wollen in die NATO und brauchen dafür moderne Waffensysteme, wie das Kampfflugzeug F16. Dass sich die armen Osteuropäer die teuren Flieger eigentlich nicht leisten können, scheint dabei kein Problem.
Oats Schwarzenberger, Lockheed Martin, 1997: "Wenn jemand so etwas benötigt oder haben möchte, dann ist es zweitrangig, ob er es sich im Moment leisten kann. Wir kennen das doch alle selbst, wenn wir ein Auto kaufen. Die Entscheidung liegt natürlich zunächst bei diesen Ländern. Aber wir sagen, es gibt immer Mittel und Wege solche Probleme zu lösen, ohne dass man gleich einen Bankeinbruch verüben muss."
Wo ein Wille, da also auch ein Weg. Das dachte damals auch der polnische Ministerpräsident. Begeistert vom amerikanischen Angebot bestellte er gleich 48 US Kampfjets vom Typ F16.
Auch bei Opel in Deutschland herrschte vor einigen Jahren noch Begeisterung über das neue Modell Zafira. Jetzt wandert ein Teil der Produktion nach Polen. General Motors hat versprochen, dass die Konzerntochter Opel dort kräftig investiert - im Rahmen des F16-Deals.
Die Grundlage für dieses Koppelgeschäft wurde im April 2003 in Warschau besiegelt: Der F16-Vertrag. Ein Jahrhundertgeschäft - schwärmt man in Polen - das wie folgt funktioniert: Die polnische Regierung zahlt Lockheed Martin für die Flugzeuge stolze 3,5 Milliarden US Dollar. Auf Pump der US Regierung.
Im Gegenzug verspricht Lockheed Martin ein lukratives Koppelgeschäft. Durch vertraglich zugesicherte Investitionen sollen mehr als 6 Milliarden Dollar zurück nach Polen fließen.
Hier kommt der amerikanische Automobilkonzern General Motors ins Spiel. Ihm schickt Lockheed eine bislang nicht bekannte Millionensumme aus dem Rüstungsdeal zu. Als Anreiz, damit General Motors über seine Tochter Opel anstelle von Lockheed einen Teil der zugesagten 6 Milliarden investiert.
Beide Konzerne bestätigen den Deal, schweigen aber über die Höhe der geflossenen Gelder.
Polnischen Zeitungen zufolge sollen über die General Motors Tochter Opel insgesamt 800 Millionen Euro zurück nach Polen fließen. Hier wird in Zukunft nicht nur der Astra gebaut, auch ein Teil der Zafira-Produktion soll ab kommendem Jahr in Gliwice vom Band laufen.
Damit baut die Konzernmutter General Motors den Standort Polen weiter aus, obwohl das modernste Opelwerk in Rüsselheim nur zu rund 60 % ausgelastet ist.
Monitor wollte in Polen nachfragen, welche Rolle dabei der Rüstungsdeal spielte. Doch ein Interview bekommen wir nicht. Stattdessen eilt der polnische Werkschutz heran und verbietet uns weitere Dreharbeiten.
Immerhin, schriftlich äußert sich General Motors: Die Produktionsverlagerung habe "rein betriebswirtschaftliche Gründe."
"Stimmt nicht", sagt der deutsche Betriebsrat.
Klaus Franz, Betriebsrat Adam Opel AG: "Es ist eine rein politische Entscheidung gegen den Produktionsstandort Deutschland mit der Konsequenz, dass in Polen Überkapazitäten geschaffen werden, und wir auf der anderen Seite hier in Rüsselsheim eine Unterauslastung haben und damit ein Beschäftigungsproblem für 1200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter."
Harte Vorwürfe gegen die Konzernleitung. Doch die polnische Regierung bestätigt den Verdacht. Stolz verkündet der stellvertretende Verteidigungsminister Janusz Zemke vor zwei Wochen in einem Parlamenta-Ausschuss:
"Ohne das Kompensationsgeschäft im Rahmen der Rüstungsbeschaffung wäre die Produktion des Opel Zafira nicht von Deutschland nach Polen verlagert worden. Wir rechnen damit, dass dadurch bis zu 4000 Menschen in Polen Arbeit finden werden."
An den deutschen Opel-Standorten dagegen herrscht Zukunftsangst. Bislang hofften die meisten hier, gegen die Konkurrenz aus den Niedriglohnländern bestehen zu können. Mit Innovation, Hightech und zur Not auch mit Mehrarbeit.
Jetzt entdeckt die Politik die Gefahr, die von internationalen Rüstungskonzernen ausgeht.
Udo Bullmann, SPD, Europaabgeordneter: "Es kann nicht angehen, dass die Arbeitsplätze Spielball werden von internationalen Rüstungskonzernen. Deswegen ist es dringend geboten, dass die Kommission diesen Vorgängen nachgeht und dass wir eine Politik entwickeln, eine bessere gemeinsam abgestimmte Industriepolitik, die unsere Arbeitsplatzentwicklung auch schützt vor internationalen Rüstungskonzernen."
Denn die meisten Nebendeals der Rüstungsindustrie kommen gar nicht erst ans Tageslicht. Der aktuelle Fall wurde nur öffentlich, weil die polnische Regierung die enormen Kosten vor der Bevölkerung rechtfertigen musste. Die zusätzlichen Arbeitsplätze waren da ihr bestes Argument.
fressen - kotzen - fressen - kotzen...............